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Erfahrungsberichte

Mehr als 10 Jahre Patientenbeteiligung: Hier finden Sie Berichte von Selbsthilfeaktiven zu ihren Erfahrungen und Einschätzungen zur Vertretung von Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe in Gremien nach § 140 f SGB V als auch in solchen jenseits von gesetzlich definierten Gremien.

Von Jürgen Matzat (Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen Gießen)

"Man kommt zu Wort, und manchmal finden die Worte sogar positive Resonanz. "

Unvergesslich ist die allererste Sitzung, damals noch in Siegburg: Völlig unvorbereitet, ohne so recht verstanden zu haben, worum es denn genau gehen sollte, auf was für Menschen, Institutionen und Strukturen man treffen würde, suchten die Patientenvertreter/ innen den Sitzungsraum.

Darin, so stellte sich heraus, tagten bereits die „Bänke“ (also die Vertreter der gesetzlichen Krankenkassen und der so genannten „Leistungserbringer“, in diesem Falle: Ärzt/innen und Psychotherapeut/ innen) – ohne uns. Und es gab auch keine freien Stühle mehr. Sehnsüchtig auf uns gewartet hatte man also nicht gerade. Wir spürten deutlich: Wir sind hier ein Störfaktor. (Ob der Gesetzgeber das womöglich sogar beabsichtigt hatte …?) Das löste sich allerdings recht schnell auf (zumindest bei einigen) – im Unterausschuss Psychotherapie, aus dem ich hier berichte, sitzen halt sensible, kooperative und sozial kompetente Menschen.

Zehn Jahre später kann man darüber nur schmunzeln. Inzwischen fühlt sich – zumindest in diesem Unterausschuss – die Patientenvertretung akzeptiert. Man kommt zu Wort, und manchmal finden die Worte sogar positive Resonanz. Der unparteiische Vorsitzende und die Geschäftsstelle verhalten sich fair und unterstützend. Als einer der Patientenvertreter verstorben war, wurde seiner in bewegenden Worten gedacht. Die Mitarbeit im G-BA verlangt von Patientenvertreter/ innen erhebliches Umdenken und die Beschäftigung mit bislang fremder Materie: die Gesetze, Regeln und Richtlinien der Juristen (alles muss ja „juristisch wasserdicht“ sein), die Vorgaben der „Evidence based Medicine“, die Strukturen der „gemeinsamen Selbstverwaltung“ etc. Die in der Selbsthilfe gängige Währung, nämlich der Austausch persönlicher Erlebnisse und Erfahrungen, muss ersetzt (oder zumindest ergänzt) werden durch die Währung „Studien“. Alles und jedes muss mit wissenschaftlichen Untersuchungen belegt werden, und gelegentlich muss geradezu Orwell’sches Neusprech geredet werden, wenn zum Beispiel die Begrenzung des Versorgungsangebots für die Versicherten „Bedarfsplanung“ genannt wird. Der Fortschritt ist auch im G-BA eine Schnecke. Vielfach geht es auch nicht (oder jedenfalls nicht nur) um die Suche nach Wahrheiten und besten Lösungen, sondern um den Ausgleich von finanziellen, professionellen und politischen Interessen. Manche Kompromisse sind fair, andere sind faul – ganz wie im richtigen Leben. Die Patientenvertretung sucht hier ihren Weg zwischen Interessenvertretung der Betroffenen und Mitverantwortung für das Gesamtsystem.

Ein Spezifikum der Patientenbeteiligung in Deutschland besteht in der Selbst-Rekrutierung von „sachkundigen Personen“ aus den vier „maßgeblichen Organisationen“. Wir entsenden „von unten“ und werden nicht „von oben“ berufen. Eine gelungene Form von Bürgerbeteiligung, die auch international aufmerksam zur Kenntnis genommen wird. Ihre Schwäche, das ist offensichtlich, liegt im Mangel an Ressourcen. Die Einrichtung der so genannten Stabsstelle Patientenbeteiligung stellte hier einen enormen Fortschritt dar, und speziell im Unterausschuss Psychotherapie ist die Mitwirkung von zwei „gemeinsamen Sachverständigen“ aus der Wissenschaft für die Patientenvertretung enorm hilfreich

Die Patientenbeteiligung im G-BA, so wie wir sie kennen, wäre nicht möglich gewesen, wenn sich nicht seit den 1970er Jahren eine Selbsthilfebewegung in Deutschland entwickelt hätte, die international einmalig ist, auch dank der gesetzlich vorgeschriebenen Förderung von Selbsthilfegruppen, Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfekontaktstellen aus Mitteln der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), vor allem aber getragen vom Engagement von Millionen Patient/innen und Angehörigen. Für dieses „soziale Kapital“ kann man nur dankbar sein.

Jürgen Matzat
Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen
der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V., Friedrichstraße 33, 35392 Gießen
Tel: 06 41 / 994 56 12
E-Mail: juergen.matzat@psycho.med.uni-giessen.de

Von Heike Norda (SchmerzLOS e.V. Lübeck)

"Ich hatte das Gefühl, dass meine Anwesenheit eher als störend empfunden wurde."

Seit einigen Jahren gibt es für Patient/innen das so genannte Mitberatungsrecht in verschiedenen Gremien auf Bundes- und Landesebene. Im Zulassungsausschuss für Ärzte in Schleswig-Holstein wirkte ich an mehreren Sitzungen mit. Ich möchte hier meine Erfahrungen weitergeben, die ich durch meine Mitarbeit in dem Gremium gemacht habe.

So wurde ich nur selten in die Gesprächsführung einbezogen, und ich hatte das Gefühl, dass meine Anwesenheit eher als störend empfunden wurde. Manchmal wurden Entscheidungen ohne meine Beteiligung außerhalb der normalen Sitzungszeit getroffen. Vielleicht haben die stimmberechtigten Ausschussmitglieder vermutet, dass ich bei den nicht patientenbezogenen Entscheidungen ein Veto einlegen könnte.

Die Diskussionen zu manchen Entscheidungen empfand ich als Verteilungskämpfe. Bei Zulassungsanträgen von Ärzt/innen wurden beispielsweise die niedergelassenen Ärzt/innen in der Nachbarschaft befragt, ob sie einer neuen Zulassung zustimmen würden. Das Wohl der Patient/innen hatte deutlich weniger Priorität bei diesen Entscheidungen. Auch wenn sich durch neue Zulassungen die Wartezeiten auf ambulante Behandlungstermine für gesetzlich Krankenversicherte messbar reduzieren würden, war dieser Aspekt weit weniger wichtig als die wirtschaftliche Situation der bereits vor Ort praktizierenden Ärzt/innen. Nach diesen Erfahrungen legte ich mein Mandat nieder. Ein „Mitberatungsrecht“, das faktisch wirkungslos ist, ist nach meiner Auffassung keine Mitberatung.

Andere Erfahrungen habe ich als Vertreterin der Selbsthilfe im ARGE-Ausschuss Schleswig-Holstein gemacht. Dieser Ausschuss vergibt die Fördergelder der gesetzlichen Krankenkassen nach § 20 c SBG V. Auch in diesem Ausschuss besteht lediglich ein Mitberatungs-, aber kein Stimmrecht. Von Beginn an, seit 2008, wirkte ich in diesem Gremium mit. Zunächst gab es Berührungsängste zwischen den gewählten Vertreter/innen der Selbsthilfe und den Krankenkassenmitarbeiter/innen. Im Laufe der Jahre wuchs das gegenseitige Vertrauen, so dass man jetzt von einer von gegenseitigem Respekt geprägten Atmosphäre ausgehen kann. Trotzdem werden prekäre Entscheidungen ohne unser Beisein getroffen. Auch die immer wieder ohne unsere Beteiligung geänderten Antragsformulare, die jedes Mal umfangreicher und komplizierter werden, führen dazu, dass etliche Selbsthilfegruppen auf die Mithilfe der örtlichen Selbsthilfeberatungsstellen angewiesen sind, oder dass sie ganz auf die Förderung verzichten.

Die Patientenorganisation SchmerzLOS e.V. macht im Rahmen ihrer jüngst veröffentlichten politischen Forderungen den Anspruch geltend, dass patientenrelevante Entscheidungen nicht mehr ohne deren Mitbestimmung erfolgen sollen. Denn viele Entscheidungen sind zu richtungsweisend, als dass sie über die Köpfe der Betroffenen hinweg getroffen werden dürften.

Bei manchen Entscheidungen geht es um die Verwendung von Mitgliedsbeiträgen der gesetzlichen Krankenkassen. Als vollwertige Mitglieder dieser Solidargemeinschaft haben die Versicherten auch Anspruch auf umfassende Mitbestimmung. Und die wird von der Patientenorganisation SchmerzLOS e.V. eingefordert. Danach müsste die entsprechende Verordnung abgeändert und damit die Voraussetzung für eine wirkungsvolle Patientenmitbestimmung geschaffen werden.

Es wäre gut, wenn auch andere Patientenorganisationen sich diesen Forderungen anschließen, damit das Thema breiter diskutiert wird und so bei den Verantwortlichen mehr Gehör findet. |

Heike Norda, Vorstandsmitglied
SchmerzLOS e.V. Lübeck, Am Waldrand 9a, 23627 Groß Grönau
Tel: 045 09 / 87 93 08
E-Mail: info@schmerzlos-ev.de
Internet: www.schmerzlos-ev.de

Von Enzia Selka (Vulvakarzinom-SHG e.V.)

"Für kleine Selbsthilfevereinigungen ist es faktisch unmöglich, die Antragshürde zu nehmen."

Unserem Bericht über unsere Erfahrungen mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) möchten wir einige grundsätzliche Überlegungen zur Vertretung von Patienteninteressen in der medizinischen Versorgung beziehungsweise in Gremien, die in diesem Bereich Entscheidungen treffen, voranstellen.

Der Blickwinkel von Entscheidungsgremien wie dem G-BA und von Patient/innen auf die medizinische Versorgung ist unterschiedlich. Der G-BA trifft Schlussfolgerungen und Entscheidungen auf der Basis der Sammlung, Analyse und Verknüpfung von Daten, um innerhalb eines vom Gesetzgeber definierten Rahmens festzulegen, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) übernommen werden.

Ziel ist eine evidenzbasierte Medizin (EbM), das heißt eine auf Beweise gestützte Heilkunde. Für Patient/innen stehen dagegen insbesondere ihre körperliche, seelische und soziale Lebensqualität sowie die Nebenwirkungen der Therapie im Mittelpunkt. Beide Blickwinkel können eine große gemeinsame Schnittmenge haben, sie können aber auch in der Bewertung einer Therapie stark voneinander abweichen. Beruht ein Gesundheitsprogramm lediglich auf einer positiven Bewertung der klinischen Wirksamkeit, so besteht die Gefahr, dass es an der Akzeptanz der Patient/innen scheitert, weil beispielsweise der Anstieg der Lebenserwartung mit Einbußen in der Lebensqualität verbunden ist, die von Patient/innen ganz überwiegend abgelehnt werden. Im Ergebnis steht dann den Kosten des Gesundheitsprogramms ein geringer Nutzen für die Patient/innen gegenüber. Gleichwohl spielt die Erfassung und Dokumentation der Ansicht der Betroffenen mit Blick auf die Organisation und Arbeitsweise des G-BA momentan eine eher untergeordnete Rolle.

Patient/innen mit einer seltenen Erkrankung treffen aber auf noch weitere Hindernisse, wenn sie versuchen, den G-BA zu motivieren, sich ihrer häufig dringend verbesserungsbedürftigen medizinischen Versorgung anzunehmen. Zum einen stehen bei ihnen – bedingt durch die niedrigen Fallzahlen – wenig Daten zur Verfügung, die den Anforderungen einer auf Studien oder anderen Nachweisen beruhenden Medizin genügen. Zum anderen haben die (spezialisierten) Selbsthilfevereine dieser Patient/innen typischerweise nur geringe personelle Ressourcen, mit denen sie Antragsanforderungen bewältigen sollen, die es ihnen faktisch unmöglich machen, die „Antragshürde“ zu nehmen. Leider haben sie nämlich den antragsberechtigten Organisationen dermaßen viele Informationen zu liefern, dass das neben der eigentlichen Selbsthilfearbeit kaum zu leisten ist. Es reicht also nicht aus, die Fakten der schlechten Versorgungslage zu nennen und auf ihren Erfahrungen beruhende Lösungsvorschläge zu unterbreiten, sondern sie werden zum Beispiel aufgefordert, Studien im Zusammenhang mit ihrer seltenen Erkrankung zu präsentieren. Eine Forderung, die im Hinblick auf die personelle und finanzielle Ausstattung des G-BA doch etwas verwundert. Abgesehen davon hat der G-BA durchaus die Möglichkeit, bei erkannten Versorgungsproblemen eigeninitiativ tätig zu werden. Darüber hinaus hat er wichtige Aufgaben im Bereich des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung, woran es sicherlich bei etlichen seltenen Erkrankungen mangelt. Vor dem Hintergrund dieser weitreichenden Kompetenzen hat sich unser Selbsthilfeverein trotz geringer Erfolgsaussichten an den G-BA gewandt und in Anbetracht unserer schlechten Versorgungslage, die für viele Frauen medizinisch nicht gebotene Genitalverstümmelungen bis hin zum Genitalverlust bedeutet, um ein Tätigwerden gebeten.

Erfahrungen mit dem G-BA
In unserem Schreiben an den G-BA vom Mai dieses Jahres haben wir die Missstände geschildert und angeregt, eine positive Empfehlung über den therapeutischen Nutzen bestimmter, von uns detailliert aufgeführter Methoden abzugeben und dafür Sorge zu tragen, dass diese Methoden als Standardtherapie ausgewiesen werden. Des Weiteren haben wir angeregt, eine Empfehlung über die notwendige Qualifikation der Ärztinnen und Ärzte zu beschließen, die Patientinnen mit einem Vulvakarzinom oder einer Präkanzerose behandeln, und Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung festzulegen.

Im Ergebnis sind wir dann mit einem paragraphenstrotzenden Schreiben Mitte Juli 2014 aus formalen Gründen abgewiesen worden. Wir sind an die antragsberechtigten Organisationen verwiesen worden und an die Stabsstelle Patientenbeteiligung des G-BA. Mit der Stabsstelle haben wir uns in Verbindung gesetzt, ohne dass sich inhaltlich etwas unser Anliegen Voranbringendes ergeben hat. Wir wurden dort von der Option in Kenntnis gesetzt, dass Hersteller nach § 137 e VII SGB V für die momentan nicht vergütete Laservaporisation (einer schonenden Therapie der VIN/Vorstufe, bei der das Erscheinungsbild der Vulva üblicherweise unverändert bleibt) eine Erprobungsrichtlinie beantragen können. Leider ist das mit großen Kosten für den Hersteller verbunden, so dass es wohl für Therapien seltener Erkrankungen realistischer weise nicht in Betracht kommen dürfte. Dann wurden wir noch darauf hingewiesen, dass eine Beratung zur Ambulanten Spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) bei schweren Verlaufsformen gynäkologischer Tumore anstände und man dort eventuell das Vulvakarzinom aufnehmen könnte. Wir haben resignierend davon Abstand genommen, uns mit der Ansprechpartnerin hierfür in Verbindung zu setzen, denn unser Anliegen ist, diese Verlaufsformen zu verhindern.

Fazit
Wir können nur das Fazit ziehen, dass der G-BA kein Interesse daran hat, sich mit unserer schlechten, wenn nicht sogar desaströsen Versorgungslage auseinanderzusetzen. Hier werden Formalien zu Hürden, die es der Interessenvertretung von Menschen mit einer seltenen Erkrankung faktisch unmöglich machen, dass sich ein wichtiges Entscheidungsgremium im Gesundheitssystem ihrem Anliegen annimmt. Angesichts der geringen Fallzahlen und der Komplexität der Ursachen für die schlechte Versorgungslage vieler seltenen Erkrankungen dürfte auch nicht damit zu rechnen sein, dass der G-BA eigeninitiativ tätig wird, um unsere Versorgungslage zu verbessern. Dabei wäre ein entsprechender Auftrag durchaus den gesetzlichen Bestimmungen zu entnehmen.

Hilfreich wäre für uns als PatientInnenvertretung in Anbetracht unserer geringen personellen Ressourcen eine Stabstelle, die qualifizierte Anregungen aufgreift und durch eigene Recherchen zu einem Antrag verdichtet und diesen dann durch das Verfahren begleitet. Außerdem wäre es aus unserer Sicht zielorientiert, wenn in Entscheidungsverfahren, die seltene Erkrankungen zum Gegenstand haben, neben den SprecherInnen der Patientenvertretung in den G-BA Unterausschüssen die Fachkompetenz der Interessenvertretungen der betroffenen PatientInnen einbezogen werden würde. Im Übrigen ist eine Verfahrensdauer für die Methodenbewertung von bis zu acht Jahren, die uns von der Stabstelle Patientenbeteiligung benannt worden ist, in Anbetracht der Schnelligkeit, mit der sich neue medizinische Erkenntnisse ergeben können, nicht akzeptabel.

Enzia Selka, 1. Vorsitzende für das Projektteam
VulvaKarzinom-SHG e.V., Kniprodestraße 94, 26388 Wilhelmshaven
E-Mail: info@VulvaKarzinom-SHG.de
Internet: http://VulvaKarzinom-SHG.de

Von Marion Sradj (Bundesverband Macula-Degeneration e.V.)

"Neutralität, Objektivität und eine kritische Haltung sind nicht immer leicht zu bewahren."

Macula-Degeneration (MD) ist eine chronische Augenerkrankung, die auf Grund der höheren Lebenserwartung insbesondere in der westlichen Welt an Bedeutung zunimmt. Vielfach sind jetzt auch jüngere Menschen davon betroffen. Neuesten Schätzungen zufolge gibt es in der Bundesrepublik Deutschland derzeit mindestens vier bis fünf Millionen Menschen, die von einer Macula-Degeneration betroffen sind. Circa 15 Prozent von ihnen haben die feuchte MD, 85 Prozent die trockene, die als Vorstadium der feuchten betrachtet werden kann.

Bis heute gilt die trockene MD noch immer als nicht behandelbar. Das ist erwiesenermaßen falsch. Im Gegenteil: Jede Erkrankung sollte bereits im noch reversiblen Frühstadium therapiert werden. Es macht keinen Sinn zu warten, bis der Endzustand erreicht ist. Dies ist eine Tatsache, die jedem mit gesundem Menschenverstand einleuchten muss.

Die erste Selbsthilfegruppe unseres Verbandes wurde 1995 durch von der Lasertherapie und ihren irreparablen Schäden (Netzhautnarben) enttäuschte Patient/innen gegründet. Lasertherapie galt damals, wie später die photodynamische Therapie, die Netzhautrotation oder jetzt die Spritzen ins Auge, als die einzige so genannte „wissenschaftliche“ Methode der Wahl. Parallel zu diesen bereits nach wenigen Jahren wieder überholten chirurgischen Verfahren gibt es seit nunmehr mindestens 25 Jahren eine bewährte ebenfalls wissenschaftlich begründete alternative konservative Behandlung, die sich auf die neuesten Erkenntnisse der Naturwissenschaften, die übrigens inzwischen auch in den Universitäten gelehrt werden, stützt. Vielen unserer Mitglieder konnte dadurch die Sehkraft über 15 bis 20 Jahre stabilisiert und erhalten werden.

Im Laufe der Jahre ist aus der anfänglich kleinen lokalen Selbsthilfegruppe ein über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannter Verband geworden. Als unabhängiger und dazu noch kritischer Verein hat der Bundesverband Macula-Degeneration e.V. allerdings mit den bekannten Schwierigkeiten mit den Medien zu kämpfen.

„Umfassende Information über die Erkrankung und ihre Behandlungsmöglichkeiten, um den Betroffenen bereits im Frühstadium, das heißt bei trockener MD Hilfe zuteilwerden zu lassen“… ist neben dem Austausch von Erfahrungen mit der Krankheit und ihrer Therapie oberstes Ziel des Vereins. Um die Betroffenen, die sich häufig angesichts der drohenden Erblindung von ihren Ärzt/innen im Stich gelassen fühlen, zu erreichen, mussten wir eigene Wege einschlagen. Dazu gehören unsere Informationsschriften, die über die Krankheit, ihren möglichen Verlauf, sowie über Möglichkeiten der

Prophylaxe und auch über Trainingsprogramme aufklären. Zahlreiche Informationsveranstaltungen im In- und Ausland, Informationsstände auf Gesundheitsmessen und die regelmäßige Teilnahme einzelner Mitglieder an den Veranstaltungen der örtlichen Kontaktund Informationsstellen für Selbsthilfegruppen sind eine weitere Möglichkeit. Ein Netz von Kontaktpersonen und Regionalgruppen steht den ratsuchenden Betroffenen und ihren Angehörigen zur Verfügung. Erste Kontakte werden meistens über unsere Internetseite www.macula-degeneration.de geknüpft. Diese Strategie hat sich über die Jahre bestens bewährt.

Enttäuschend demgegenüber waren Kontakte mit Lokalpolitiker/innen, Bundestagsabgeordneten und sogar mit dem Beauftragten der Bundesregierung für Patientenangelegenheiten. Alle diese Gespräche verliefen nach dem gleichen Muster: anfangs offen, freundlich und verständnisvoll, später dann, nachdem man sich bei konkurrierenden Institutionen und Organisationen, die oft nicht auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand waren, erkundigt hatte, abweisend und im Endeffekt ergebnislos, weil offensichtlich Interessen über Erkenntnis dominierten.

Neutralität, Objektivität und eine kritische Haltung sind nicht immer leicht zu bewahren. Vielfach sah sich der Bundesverband Macula-Degeneration e.V. gezwungen, Annäherungsversuche seitens der Pharmaindustrie und anderer Interessengruppen abzuwehren. Unabhängigkeit hat ihren Preis, den wir aber zu zahlen bereit sind. Die Förderung durch die gesetzlichen Krankenkassen unterstützt uns in diesem Bestreben und gibt dem Bundesverband Macula-Degeneration e.V. die entscheidende materielle Grundlage seiner Arbeit.

Da unser Verband eine Vereinigung von chronisch kranken, meist hochbetagten und dazu noch sehbehinderten Menschen ist und ausschließlich mit ehrenamtlichen Kräften arbeitet, würden wir uns oftmals mehr Unterstützung bei der Bewältigung unserer vielfältigen Aufgaben wünschen. „Die Sehkraft erhalten, statt Blindheit verwalten“ ist das Motto unseres Vereins – ein hohes Ziel, das aber durchaus erreicht werden kann. |

Dr. Marion Sradj, Schriftführerin
Bundesverband Macula-Degeneration e.V., Postfach 100842, 93008 Regensburg
Tel: 09 41 / 56 04 80
(Herr Schönbach, Vors.) oder 09 41 / 714 31 (Frau Bäumler)
E-Mail: bvmd@gmx.net
Internet: www.macula-degeneration.de

Von Otmar Wegerich und Claudia Kröger (KISS Pfalz)

"In einem Klima des Einbezogenseins fühlen sich die Vertreter/ innen heute ernst genommen."

Seit 1.1.2014 sind wir, die KISS Pfalz (Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe Pfalz in Edesheim), als Vertreterin der LAG Selbsthilfe RLP die Koordinatorin des Arbeitskreises Patientenvertretung Rheinland-Pfalz mit Unterstützung des Verbraucherschutzes RLP und der LAG Selbsthilfe Behinderter RLP e.V. Auf Bundesebene sind wir vertreten durch die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V., für die wir auf Landesebene die Patientenbeteiligung vertreten und koordinieren.

Vor Übernahme der Koordinationsfunktion (KISS Mainz/Bad Kreuznach) konnten wir als KISS Ratsuchenden, deren Patientenrechte verletzt wurden, an Organisationen wie die UPD (Unabhängige Patientenberatungsstelle) oder den VdK (Sozialverband) verweisen. Eine Wahrnehmung von Patienteninteressen war überwiegend im reaktiven Sinn möglich. Die Beteiligung von Patientenvertreter/ innen in verschiedenen Landes- und Bundesgremien, wie sie im SGB V geregelt ist, hat die Möglichkeit eröffnet, als Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe und andere, in dem AK Patientenvertretung beteiligte Organisationen, sowohl in der Phase der Bestandsaufnahme und Planung, als auch in Entscheidungsphasen, Patienteninteressen in Organen des Gesundheitswesens einzubringen und vertreten zu können. Aufgrund dieser Gegebenheit werden die Vertreter der maßgeblichen Organisation (§ 140 f SGB V) in die Lage versetzt, planerisch und vorausschauend an der Weiterentwicklung der gesundheitlichen Versorgung mitzuwirken.

Mit Übernahme der Koordination des AK Patientenvertretung RLP sind wir in folgenden Gremien vertreten: Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, erweiterter Landesausschuss, Zulassungsausschuss KV Pfalz und Patientenorganisation nach dem LKG. Folgende Gremien sind seitdem zusätzlich gebildet worden, bei denen wir ebenso als Patientenvertretung beteiligt sind: AK Bedarfsplanung 2013, Gemeinsames Landesgremium und die Lenkungsgremien Qesü und QSKH. Weitere Organisationen des AK nehmen in Gremien wie Berufungsausschuss, Zulassungsausschuss der Psychotherapeuten und den Zulassungsausschüssen der KV Trier, Koblenz und Rheinhessen die Vertretung wahr. Bei der Vielzahl der mit Patientenvertreter/innen zu besetzenden Gremien war und ist es häufig schwer, die erforderliche Anzahl an geeigneten, oft ehrenamtlich tätigen Personen benennen zu können. Dies liegt unter anderem daran, dass aufgrund der eigenen Betroffenheit in gesundheitlicher Hinsicht Belastungsgrenzen vorgegeben sind.

Laut Rückmeldung langjähriger Patientenvertreter/ innen war deren Aufnahme in den Gremien anfangs eher von Duldung denn von Augenhöhe gekennzeichnet. Dies hat sich sehr gewandelt. In einem Klima des Einbezogenseins fühlen sich die Vertreter/ innen heute ernst genommen. Sie werden frühzeitig über Sitzungstermine informiert und bekommen im vollen Umfang die Sitzungsunterlagen zur Verfügung gestellt. Weiterhin finden wir es sehr positiv, dass zum Beispiel im gemeinsamen Landesgremium RLP entgegen der ursprünglichen Planung (ein/e Vertreter/in) nun mehr zwei Vertreter/innen von Patienteninteressen beteiligt sind. Nach unserer Einschätzung haben sich Patientenvertreter/innen kontinuierlich den erforderlichen Sachverstand angeeignet, der für die Mitarbeit in diesen Gremien erforderlich ist und damit in konkreten Einzelfällen Einfluss auf Entscheidungen genommen. Dennoch besteht aus unserer Sicht aufgrund der unterschiedlichen Vorbildungen, Berufs- und Gremienerfahrungen der einzelnen Patientenvertreter/ innen Bedarf an Schulungsangeboten, um eine möglichst einheitliche Kompetenz in dieser Funktion zu erreichen. Dies sollte zukünftig verstärkt auf regionaler Ebene angeboten werden, um möglichst viele Vertreter/ innen zur Teilnahme zu motivieren, weil somit weite Anfahrtswege, hohe Kostenbeteiligungen und Teilnahmebeschränkungen reduziert werden können.

Wenn, wie in unserem Fall, zu den Standardaufgaben einer KISS ein neues Aufgabengebiet wie die Patientenvertretung und deren Koordination hinzukommt, zieht dies bei gleichem Personalbestand ein hohes Maß an zusätzlicher Belastung der Mitarbeiter/ innen, einen hohen Zeitaufwand und einen zusätzlichen nicht unerheblichen finanziellen Aufwand nach sich. Vertretung von Patienteninteressen in diesem Umfang wird von uns als sehr wichtig eingeschätzt. Die entsendenden Organisationen sollten jedoch durch ein Zur-Verfügung-Stellen ausreichender Ressourcen in die Lage versetzt werden, der Erfüllung dieser Aufgabe gerecht zu werden. Wir erwarten von der landes- und bundespolitischen Ebene, den Selbstverwaltungsorganen (KV, GKV etc.) und sonstigen Beteiligten, dass die von ihnen gewünschte und aus der Sicht aller als sinnvoll erachtete Vertretung von Patienteninteressen durch einheitliche Verordnungen nachhaltig sichergestellt wird.

Zusammenfassend stellen wir fest, dass die Vertretung der Interessen und Rechte von Patient/innen auf den verschiedensten Ebenen in den entsprechenden Gremien auf einem guten und aussichtsreichen Weg ist und sich bewährt hat. Damit dieser Weg weiterhin erfolgreich beschritten werden kann, sollten unsere kritischen Anmerkungen ernst genommen und in positiver Hinsicht berücksichtigt werden.

Otmar Wegerich, Vorsitzender, KISS Pfalz
Claudia Kröger, Koordination Patientenvertretung Rheinland Pfalz
Selbsthilfetreff Pfalz e.V., Speyerer Straße 10, 67483 Edesheim
Tel: 063 23 / 98 99 24 Fax: 063 23 / 704 07 50
E-Mail: wegerich@kiss-pfalz.de; kroeger@kiss-pfalz.de
Internet: www.kiss-pfalz.de

Von Petra Hohn (Bundesverband Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland e.V.)

"Bestimmte Themen finden einfach weniger Beachtung."

Wir sind froh, dass wir hiermit die Möglichkeit erhalten, uns zum dem Thema „Vertretung von Interessen“ zu äußern und dabei unsere Erfahrungen in diesem Zusammenhang darzustellen. Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass es eine große Anzahl an Selbsthilfeorganisationen gibt, die alle eine sehr engagierte und sehr wichtige Arbeit leisten. Um dabei eine hohe Qualität zu bieten, ist es notwendig, dass die Organisationen wirksame Unterstützung erhalten.

Wir haben den Eindruck, dass es in großem Maße von dem jeweiligen Schwerpunkt abhängt, ob die Unterstützung intensiver ist oder eben bestimmte Themen, wie das unsere, einfach weniger Beachtung finden. Wir als Bundesverband Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland e.V. machen immer wieder die Erfahrung, dass wir in keine der gegenwärtigen Strukturen so richtig reinpassen. Zu sagen, wir bekommen keine Unterstützung, das wäre nicht richtig, aber die bisherigen Hilfen reichen nicht aus.

Die Leistungen, die wir erhalten, sind für unsere Arbeit kein stabiles Fundament. Es ist deshalb sehr schwer, eine kontinuierliche Arbeit abzusichern. Oftmals stellt sich uns die Frage, ob und wie wir in der Perspektive überhaupt dauerhaft fortbestehen können. An dieser Stelle möchten wir darauf eingehen, worin unsere Arbeit besteht und somit unser spezielles Problem verdeutlichen. Unseren Bundesverband gibt es seit 17 Jahren, mit seinem Geschäftssitz in Leipzig seit 2006. Wir helfen deutschlandweit Eltern, die ein Kind verloren haben. Wir geben Betroffenen erste Hilfe, sind am Telefon ein wichtiger Zuhörer. Wir beraten in Einzelgesprächen und vermitteln sie in Selbsthilfegruppen vor Ort. So wurden im Jahr 2013 durch den Bundesverband 75.000 Betroffene betreut. Leider ist die Unterstützung unserer Arbeit sehr gering. Die Kinder sind gestorben, die Familien müssen lernen, mit dem unsagbaren Verlust zu leben. Ein langer Prozess erfordert langen Beistand für Eltern und Geschwister, die zurückbleiben und bald von der Umwelt vergessen sind. Für diese Menschen sind wir da, solange sie uns brauchen. Auf unserer Internetseite bieten wir ebenfalls Raum für alle Hilfesuchenden an. Die Bereitschaft, unseren Verein finanziell zu unterstützen, ist so gut wie nicht gegeben, die Nachfrage betroffener Familien nach Unterstützung jedoch tendenziell steigend. Die Anfragen bei uns erweitern sich auf helfende Berufe wie Therapeut/ innen, Kliniken, Polizei, Schulen, Krisenintervention und Bestatter/innen. Unsere Sachkompetenz ist dort inzwischen anerkannt, unsere jahrelange Erfahrung ist immer mehr gefragt. International gesehen sind wir der einzige so stark vernetzte Dachverband und somit gefragter Ansprechpartner für dieses schwierige Thema.

Unsere Kapazitäten sind erschöpft und wir benötigen dringend Unterstützung, um die vielen Anfragen kontinuierlich und auf qualitativ hohem Niveau abzusichern. Es ist keinesfalls möglich, unsere vielfältigen Aufgaben nur durch ehrenamtliche Tätigkeit zu leisten. Wir benötigen Gelder für Lohnkosten, Miete, Energie, Telefon, Internet, Büromaterial und Fachliteratur. Gegenwärtig erhalten wir eine Pauschalförderung von der GKV, die gemessen an unseren Ausgaben leider nicht ausreichend ist. Immer wieder unternehmen wir Anstrengungen, um Sponsoren für unsere Arbeit zu finden. Leider ist die Resonanz darauf sehr gering. Mögliche Sponsoren teilen uns auf unsere Anfragen hin meistens mit, dass sie unsere Tätigkeit anerkennen, aber sie bereits andere Projekte unterstützen und auch ihre Mittel begrenzt sind.

Dafür haben wir Verständnis und es ist für uns nachvollziehbar, man investiert lieber in Themen, die lebendiger sind. Unser Eindruck ist, dass unser schwieriges Thema in der Gesellschaft zu wenig Beachtung findet.

Es wird sehr unterschätzt, welch umfangreiche Hilfen Betroffene brauchen, um wieder in ein annehmbares Leben zurückzufinden. Uns geht es darum, die Familie als Gesamtheit zu betrachten. Kaum jemand erkennt, dass Eltern, die ein Kind verloren haben, so stark von der Trauer um das tote Kind vereinnahmt werden, dass sie große Probleme haben, ihren lebenden Kindern gerecht zu werden. Damit Geschwisterkinder gesund aufwachsen können, müssen zunächst die Eltern gestärkt werden. Uns geht es darum, dass Familien an diesem Verlust nicht zerbrechen. Das alles ist ein schwieriger Prozess, der umfangreiche Begleitung erfordert und langwierig ist. Zunehmend stellt sich für uns die Frage, wer sich in unserer Gesellschaft für unser Thema zuständig fühlt.

Jedes Jahr schreiben wir deutschlandweit Gerichte an, um in die Liste der Bußgeldempfänger/innen aufgenommen zu werden. Leider kommt es nur äußerst selten vor, dass wir Zuwendungen aus Bußgeldern erhalten.

Unsere regelmäßige Finanzierungsquelle sind neben der Pauschalförderung die Mitgliedsbeiträge unserer Vereinsmitglieder, die keineswegs ausreichend sind. Wir benötigen finanziell gesehen eine solidere Basis als bisher, um unserer Arbeit die nötige Stabilität zu verleihen und auch in ansprechender Qualität tätig zu sein. Vielleicht können Sie uns wertvolle Hinweise geben, die uns helfen, unser Anliegen voranzubringen und unsere Arbeit perspektivisch gesehen abzusichern.

Petra Hohn, 1. Vorsitzende
Bundesverband Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland e.V., Roßplatz 8 a, 04103 Leipzig
Tel: 03 41 / 946 88 84
E-Mail: kontakt@veid.de
Internet: www.veid.de

Von Johannes Peter Wolters (Bundesverband der Selbsthilfe Soziale Phobie [VSSP] e.V.)

"Selbsthilfegruppen sind mehr als Patientenzusammenschlüsse."

Seit nunmehr zehn Jahren ist die beratende Beteiligung von Organisationen der Selbsthilfe – wie der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. und anderen – an Entscheidungsgremien des Gesundheitswesens auf Bundes- und Länderebene vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen. Dies gilt als sinnvolles Instrument der Verbesserung des Gesundheitswesens.

In diesem Zusammenhang ist in den vergangenen Jahren aus meiner Sicht zu beobachten, dass der Begriff der Selbsthilfe in der Öffentlichkeit näher an den des Patienten gerückt ist. Dies kann auch in dem Logo „Patient und Selbsthilfe“ zum Ausdruck kommen, mit dem die aktuell erschienene NAKOS-Broschüre „Grundlagen der Patientenbeteiligung“ versehen ist.

Diese Form der Kommunikation zur Vertretung der Patienteninteressen im Gesundheitswesen könnte mittelfristig eine Veränderung der öffentlichen Wahrnehmung der Selbsthilfe mit sich führen. Daher möchte ich mich, in Abgrenzung zum Begriff des „Patienten“, für die weitere, vorrangige Verwendung des in der Selbsthilfe bewährten und weiter gefassten Begriffs des „Betroffenen“ einsetzen.

Laut Duden ist ein Patient eine „von einem Arzt, einer Ärztin oder einem Angehörigen anderer Heilberufe behandelte oder betreute Person (aus der Sicht dessen, der sie [ärztlich] behandelt oder betreut oder dessen, der diese Perspektive einnimmt) …“.

Die Rolle des Patienten ist also nicht unabhängig denkbar, sondern beschreibt eine definierte Position und Funktion innerhalb des Gesundheitssystems und wird zum Beispiel Ärztinnen und Ärzten sowie Dienstleistern wie Krankenhäusern und Krankenkassen gegenübergestellt.

Die gesundheitsbezogene Selbsthilfe ist wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass sich Menschen, die von einem bestimmten gesundheitlichen Problem betroffen sind, zusammentun, um ihre Herausforderungen gemeinsam anzugehen und sich darin gegenseitig zu unterstützen – generell unabhängig von ihrer Rolle als Patientin oder Patient.

Der „GKV-Leitfaden zur Selbsthilfeförderung“ bezieht sich inhaltlich auf den Teilbereich der Selbsthilfe, der die Bewältigung einer chronischen Erkrankung oder einer Behinderung zum Anliegen hat. Die hieran beteiligten Menschen werden durchgehend als „Betroffene“ und nicht als „Patienten“ bezeichnet.

Der Begriff „Betroffener“ beschreibt einen Menschen in seiner persönlichen, individuellen Beziehung und Auseinandersetzung mit einer (hier gesundheitlichen) Herausforderung. Betroffensein von einer Erkrankung, Behinderung oder einer Lebenssituation ist daher nicht gleichzusetzen mit einem Patientenstatus. Die persönliche Auseinandersetzung kann deutlich größere Bereiche miteinbeziehen als die Angebote und Leistungen, die von einem Gesundheitssystem erbracht werden können. Der Begriff „Betroffener“ ist in meinen Augen ganzheitlich, in jedem Falle ganzheitlicher als der des „Patienten“. Er bezieht sich unmittelbar auf den Menschen und ist unabhängig von einer Einbeziehung in das Gesundheitssystem. Die von vielen Seiten ausdrücklich gewünschte und geradezu geforderte „Autonomie der Selbsthilfe“ ist nicht nur eine materielle, sondern auch eine ideelle. Diesem Aspekt entspricht meiner Ansicht nach der Begriff des „Betroffenen“ gut.

Je nach Kontext und Thema hat die Verwendung der Begriffe „Patient“ und „Betroffener“ selbstverständlich ihre uneingeschränkte Berechtigung. Dennoch könnte es durch eine häufige und starke Assoziation der Begriffe „Selbsthilfe“ und „Patient“ in der Außendarstellung zu einer, wenn auch nicht beabsichtigten, Veränderung der öffentlichen Wahrnehmung der Selbsthilfe kommen: von einer Betroffenen- Selbsthilfe zu einer weitergehenden Einengung auf eine Patienten- Selbsthilfe. Wenn aber Selbsthilfekontaktstellen von der Bevölkerung in Zukunft als Patientenberatungsstellen und Selbsthilfegruppen als Patientenzusammenschlüsse auf regionaler Ebene angesehen werden, würde ich dies grundsätzlich als einen Verlust der Vielseitigkeit des Selbsthilfeansatzes dem Menschen gegenüber ansehen.

Daher plädiere ich in Bezug auf Selbsthilfe für eine abgewogene Verwendung des Begriffes „Patient“ und weiterhin für die vorzugsweise Propagierung einer Betroffenen-Selbsthilfe.

Johannes Peter Wolters
Bundesverband der Selbsthilfe Soziale Phobie (VSSP) e.V., Geschäftsstelle, Pyrmonter Straße 21, 37671 Höxter
Tel: 052 71 / 699 90 56
E-Mail: info@vssp.de
Internet: www.vssp.de 

Von Werner Waldmann (Bundesverband Schlafapnoe und Schlafstörungen Deutschland e.V. [BSD])

"Wir müssen Fehlentwicklungen in der Versorgung publik machen."

Was ist die Aufgabe eines Dachverbands? Unterstützung der in ihm zusammengeschlossenen Landesverbände, Öffentlichkeitsarbeit für das Krankheitsbild in den Medien, Meinungsaustausch mit Wissenschaftler/ innen, Ärzt/innen, Medikamenten- und Medizingeräteherstellern – und der Politik.

Unser Bundesverband Schlafapnoe und Schlafstörungen Deutschland e.V. setzt sich für das Krankheitsbild der Schlafstörungen, insbesondere der Schlafapnoe ein. Schlafapnoe – das krankhafte Schnarchen mit nächtlichen Atemaussetzern – gilt als Volkskrankheit. Man nimmt an, dass drei Prozent unserer Bevölkerung unter Schlafapnoe leiden. Das wären 2,4 Millionen Betroffene. Gut 800.000 davon sind inzwischen diagnostiziert und therapiert.

Wer unter Schlafapnoe leidet, schläft nicht mehr erholsam. Der Schlaf ist fragmentiert. Die regelmäßigen Atemaussetzer belasten den Kreislauf und setzen Stresshormone frei. Die gravierenden Folgen: Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen – erhöhtes Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden oder an Diabetes zu erkranken. Außerdem ist die Wachheit und Leistungsfähigkeit am Tage mehr oder minder stark eingeschränkt. Typische Schlafapnoiker/innen kämpfen sich morgens müde und zerschlagen aus dem Bett und schleppen sich so durch den Tag. Am Steuer eines Fahrzeugs droht ihnen der Sekundenschlaf. Unzählige schwere Verkehrsunfälle gehen auf ihr Konto.

Schlafapnoe lässt sich hervorragend therapieren. Mit positivem Überdruck, den der/die Betroffene über eine Atemmaske zugeführt bekommt, werden die Atemwege offen gehalten. So wird der Schlaf wieder erholsam. Die Therapiekosten sind erschwinglich: rund einen Euro täglich für Geräte und Betreuung durch den Homecare-Versorger. Medikamentöse Therapien kosten ein Vielfaches.

Das Problem ist jedoch, dass immer mehr Schlafapnoiker/innen entdeckt werden. Die Krankenkassen fürchten eine Kostenexplosion. Die Therapie verweigern können sie ihren Versicherten nicht; sie können jedoch gehörig daran sparen. Einige Kassen haben sich etwas einfallen lassen, um die Therapiekosten zu drücken. Sie schreiben die Schlafapnoe-Versorgung aus. Der billigste Anbieter gewinnt das Los. Realiter bedeutet das: Wenn der Vertrag mit einem bisherigen Versorger ausläuft, übernimmt der Losgewinner die Versorgung. Der Patientin / dem Patienten wird sein bewährtes Gerät weggenommen, an das er sich jahrelang mit guter Compliance gewöhnt hat; sie oder er erhält ein neues, meist nicht dasselbe Fabrikat, sondern ein billigeres. Diese „Umversorgung“ klappt selten reibungslos; viele Patient/innen leben eine Zeitlang ohne Therapie. Das ist fatal, vor allem, wenn es sich um LKW- oder Busfahrer/ innen handelt. Bei den via Ausschreibung durchgesetzten Niedrigpreisen bleibt für den Versorger nichts mehr für die Betreuung übrig. Die Patient/ innen bleiben auf sich gestellt.

Unsere Aufgabe ist es, den Krankenkassen klarzumachen, dass ein Preiswettbewerb die Versorgung der Patient/innen gefährdet. Auch den Gesundheitspolitiker/innen müssen wir die Folgen der Ausschreibungspolitik eindringlich bewusst machen. Wir brauchen den Wettbewerb – um die beste Versorgungsqualität. Wir müssen Beschwerden und Kritik der Patient/ innen sammeln. Wir müssen solche Fehlentwicklungen über die Medien publik machen, um die Kassen dazu zu bewegen, dass sie nicht nur auf Einsparpotenziale starren, sondern ihre Versicherten wieder im Mittelpunkt ihrer Arbeit sehen. Für einen kleinen Dachverband mit einer sehr mäßigen Finanzausstattung durch die Kassenförderung ist das eine Mammutaufgabe und ohne ehrenamtliches Engagement, das an Fanatismus grenzt, gar nicht zu bewerkstelligen. Doch wir sind auf einem guten Weg. Deutliche Kritik und vermittelnde Gespräche mit allen Beteiligten sind die Mischung, mit der wir unser Ziel zum Wohle der Patientinnen und Patienten erreichen.

Werner Waldmann, Vorsitzender
Bundesverband Schlafapnoe und Schlafstörungen Deutschland e.V. (BSD), Panoramastraße 6, 73760 Ostfildern
Tel: 07 11 / 479 16 08
Fax: 07 11 / 459 94 95
Internet: http://www.bsd-selbsthilfe.de

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