Seite drucken Sie befinden sich hier:  HOME  /  Mitreden  /  Erfahrungsberichte

Lobbyarbeit der Selbsthilfe: Schlafapnoe als Beispiel

Von Werner Waldmann (Bundesverband Schlafapnoe und Schlafstörungen Deutschland e.V. [BSD])

"Wir müssen Fehlentwicklungen in der Versorgung publik machen."

Was ist die Aufgabe eines Dachverbands? Unterstützung der in ihm zusammengeschlossenen Landesverbände, Öffentlichkeitsarbeit für das Krankheitsbild in den Medien, Meinungsaustausch mit Wissenschaftler/ innen, Ärzt/innen, Medikamenten- und Medizingeräteherstellern – und der Politik.

Unser Bundesverband Schlafapnoe und Schlafstörungen Deutschland e.V. setzt sich für das Krankheitsbild der Schlafstörungen, insbesondere der Schlafapnoe ein. Schlafapnoe – das krankhafte Schnarchen mit nächtlichen Atemaussetzern – gilt als Volkskrankheit. Man nimmt an, dass drei Prozent unserer Bevölkerung unter Schlafapnoe leiden. Das wären 2,4 Millionen Betroffene. Gut 800.000 davon sind inzwischen diagnostiziert und therapiert.

Wer unter Schlafapnoe leidet, schläft nicht mehr erholsam. Der Schlaf ist fragmentiert. Die regelmäßigen Atemaussetzer belasten den Kreislauf und setzen Stresshormone frei. Die gravierenden Folgen: Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen – erhöhtes Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden oder an Diabetes zu erkranken. Außerdem ist die Wachheit und Leistungsfähigkeit am Tage mehr oder minder stark eingeschränkt. Typische Schlafapnoiker/innen kämpfen sich morgens müde und zerschlagen aus dem Bett und schleppen sich so durch den Tag. Am Steuer eines Fahrzeugs droht ihnen der Sekundenschlaf. Unzählige schwere Verkehrsunfälle gehen auf ihr Konto.

Schlafapnoe lässt sich hervorragend therapieren. Mit positivem Überdruck, den der/die Betroffene über eine Atemmaske zugeführt bekommt, werden die Atemwege offen gehalten. So wird der Schlaf wieder erholsam. Die Therapiekosten sind erschwinglich: rund einen Euro täglich für Geräte und Betreuung durch den Homecare-Versorger. Medikamentöse Therapien kosten ein Vielfaches.

Das Problem ist jedoch, dass immer mehr Schlafapnoiker/innen entdeckt werden. Die Krankenkassen fürchten eine Kostenexplosion. Die Therapie verweigern können sie ihren Versicherten nicht; sie können jedoch gehörig daran sparen. Einige Kassen haben sich etwas einfallen lassen, um die Therapiekosten zu drücken. Sie schreiben die Schlafapnoe-Versorgung aus. Der billigste Anbieter gewinnt das Los. Realiter bedeutet das: Wenn der Vertrag mit einem bisherigen Versorger ausläuft, übernimmt der Losgewinner die Versorgung. Der Patientin / dem Patienten wird sein bewährtes Gerät weggenommen, an das er sich jahrelang mit guter Compliance gewöhnt hat; sie oder er erhält ein neues, meist nicht dasselbe Fabrikat, sondern ein billigeres. Diese „Umversorgung“ klappt selten reibungslos; viele Patient/innen leben eine Zeitlang ohne Therapie. Das ist fatal, vor allem, wenn es sich um LKW- oder Busfahrer/ innen handelt. Bei den via Ausschreibung durchgesetzten Niedrigpreisen bleibt für den Versorger nichts mehr für die Betreuung übrig. Die Patient/ innen bleiben auf sich gestellt.

Unsere Aufgabe ist es, den Krankenkassen klarzumachen, dass ein Preiswettbewerb die Versorgung der Patient/innen gefährdet. Auch den Gesundheitspolitiker/innen müssen wir die Folgen der Ausschreibungspolitik eindringlich bewusst machen. Wir brauchen den Wettbewerb – um die beste Versorgungsqualität. Wir müssen Beschwerden und Kritik der Patient/ innen sammeln. Wir müssen solche Fehlentwicklungen über die Medien publik machen, um die Kassen dazu zu bewegen, dass sie nicht nur auf Einsparpotenziale starren, sondern ihre Versicherten wieder im Mittelpunkt ihrer Arbeit sehen. Für einen kleinen Dachverband mit einer sehr mäßigen Finanzausstattung durch die Kassenförderung ist das eine Mammutaufgabe und ohne ehrenamtliches Engagement, das an Fanatismus grenzt, gar nicht zu bewerkstelligen. Doch wir sind auf einem guten Weg. Deutliche Kritik und vermittelnde Gespräche mit allen Beteiligten sind die Mischung, mit der wir unser Ziel zum Wohle der Patientinnen und Patienten erreichen.

Werner Waldmann, Vorsitzender
Bundesverband Schlafapnoe und Schlafstörungen Deutschland e.V. (BSD), Panoramastraße 6, 73760 Ostfildern
Tel: 07 11 / 479 16 08
Fax: 07 11 / 459 94 95
Internet: http://www.bsd-selbsthilfe.de

Weitere Artikel

DOWNLOADS""

DOWNLOADS

Selbsthilfe – Vertreter für Patientenrechte
Arbeitsgruppe bei der KISS Kassel sammelte Beispiele und bearbeitet Fülle von Themen
Carola Jantzen | 2015

Als Selbsthilfevertreter in einer Leitlinien-Kommission
Joachim Weier und Manfred Petrik | 2018