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Mitberatungsrecht faktisch wirkungslos

Von Heike Norda (SchmerzLOS e.V. Lübeck)

"Ich hatte das Gefühl, dass meine Anwesenheit eher als störend empfunden wurde."

Seit einigen Jahren gibt es für Patient/innen das so genannte Mitberatungsrecht in verschiedenen Gremien auf Bundes- und Landesebene. Im Zulassungsausschuss für Ärzte in Schleswig-Holstein wirkte ich an mehreren Sitzungen mit. Ich möchte hier meine Erfahrungen weitergeben, die ich durch meine Mitarbeit in dem Gremium gemacht habe.

So wurde ich nur selten in die Gesprächsführung einbezogen, und ich hatte das Gefühl, dass meine Anwesenheit eher als störend empfunden wurde. Manchmal wurden Entscheidungen ohne meine Beteiligung außerhalb der normalen Sitzungszeit getroffen. Vielleicht haben die stimmberechtigten Ausschussmitglieder vermutet, dass ich bei den nicht patientenbezogenen Entscheidungen ein Veto einlegen könnte.

Die Diskussionen zu manchen Entscheidungen empfand ich als Verteilungskämpfe. Bei Zulassungsanträgen von Ärzt/innen wurden beispielsweise die niedergelassenen Ärzt/innen in der Nachbarschaft befragt, ob sie einer neuen Zulassung zustimmen würden. Das Wohl der Patient/innen hatte deutlich weniger Priorität bei diesen Entscheidungen. Auch wenn sich durch neue Zulassungen die Wartezeiten auf ambulante Behandlungstermine für gesetzlich Krankenversicherte messbar reduzieren würden, war dieser Aspekt weit weniger wichtig als die wirtschaftliche Situation der bereits vor Ort praktizierenden Ärzt/innen. Nach diesen Erfahrungen legte ich mein Mandat nieder. Ein „Mitberatungsrecht“, das faktisch wirkungslos ist, ist nach meiner Auffassung keine Mitberatung.

Andere Erfahrungen habe ich als Vertreterin der Selbsthilfe im ARGE-Ausschuss Schleswig-Holstein gemacht. Dieser Ausschuss vergibt die Fördergelder der gesetzlichen Krankenkassen nach § 20 c SBG V. Auch in diesem Ausschuss besteht lediglich ein Mitberatungs-, aber kein Stimmrecht. Von Beginn an, seit 2008, wirkte ich in diesem Gremium mit. Zunächst gab es Berührungsängste zwischen den gewählten Vertreter/innen der Selbsthilfe und den Krankenkassenmitarbeiter/innen. Im Laufe der Jahre wuchs das gegenseitige Vertrauen, so dass man jetzt von einer von gegenseitigem Respekt geprägten Atmosphäre ausgehen kann. Trotzdem werden prekäre Entscheidungen ohne unser Beisein getroffen. Auch die immer wieder ohne unsere Beteiligung geänderten Antragsformulare, die jedes Mal umfangreicher und komplizierter werden, führen dazu, dass etliche Selbsthilfegruppen auf die Mithilfe der örtlichen Selbsthilfeberatungsstellen angewiesen sind, oder dass sie ganz auf die Förderung verzichten.

Die Patientenorganisation SchmerzLOS e.V. macht im Rahmen ihrer jüngst veröffentlichten politischen Forderungen den Anspruch geltend, dass patientenrelevante Entscheidungen nicht mehr ohne deren Mitbestimmung erfolgen sollen. Denn viele Entscheidungen sind zu richtungsweisend, als dass sie über die Köpfe der Betroffenen hinweg getroffen werden dürften.

Bei manchen Entscheidungen geht es um die Verwendung von Mitgliedsbeiträgen der gesetzlichen Krankenkassen. Als vollwertige Mitglieder dieser Solidargemeinschaft haben die Versicherten auch Anspruch auf umfassende Mitbestimmung. Und die wird von der Patientenorganisation SchmerzLOS e.V. eingefordert. Danach müsste die entsprechende Verordnung abgeändert und damit die Voraussetzung für eine wirkungsvolle Patientenmitbestimmung geschaffen werden.

Es wäre gut, wenn auch andere Patientenorganisationen sich diesen Forderungen anschließen, damit das Thema breiter diskutiert wird und so bei den Verantwortlichen mehr Gehör findet. |

Heike Norda, Vorstandsmitglied
SchmerzLOS e.V. Lübeck, Am Waldrand 9a, 23627 Groß Grönau
Tel: 045 09 / 87 93 08
E-Mail: info@schmerzlos-ev.de
Internet: www.schmerzlos-ev.de

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